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12/07 EDF Kongress 2012 – Milcherzeugung in Verbrauchernähe

Aktuelles im Juli 2012

Wenn Milcherzeuger in dicht besiedelten Regionen Kühe melken, ergeben sich viele Herausforderungen, aber auch zahlreiche Chancen! In Belgien informierten sich 290 Milchviehhalter aus Europa und der Welt auf dem 22. Kongress der European Dairy Farmers (27-29. Juni in Hasselt) über die Belgische Milchproduktion.

Herausforderungen der belgischen Milchproduktion

Jean-Francois Verdenal, Präsident der European Dairy Farmers und französischer Milchbauer, betonte in seiner Eröffnung: “Besonders in Zeiten, in denen viele Verbraucher kaum etwas über die tägliche Arbeit auf einem Milchviehbetrieb wissen, ist die Entmystifizierung der Landwirtschaft wichtig. Dazu haben vor allem Milcherzeuger die Chance, die in der Nähe von Verbrauchern leben und arbeiten.“ Er ermunterte die Teilnehmer mit den Verbrauchern in einen Dialog zu treten und so die Chance zu nutzen, moderne Milcherzeugung zu erklären. Piet Vanthemsche, Präsident des Boerenbond, wies auf weitere Vorteile einer dichten Besiedelung hin: Direktvermarktungsmöglichkeiten, kürzere Transportwege, Kooperationen im Bereich erneuerbarer Energien, et cetera.

Die Perspektiven der belgischen Milcherzeugung erläuterten zahlreiche Redner auf dem Kongress: Insbesondere die strengen Auflagen zur Nitratausbringung und die nach wie vor strengen Quotenregelungen stellen Herausforderungen für die belgischen Milcherzeuger dar. Nichts desto trotz haben sie seit 2005 die Milchproduktion um 11% ausdehnen können und auch für die Zeit nach 2015 wird ein weiterer Anstieg der Produktion erwartet. Darauf reagiert auch die verarbeitende Industrie und weitet bereits jetzt die Kapazitäten aus. Dabei sollen künftig vor allem die Vermarktung von Produkten mit einer höheren Wertschöpfung (Käse und Babynahrung) ausgedehnt werden, um die Abhängigkeit vom Weltmarkt (Pulver und Butter) zu reduzieren.

Die belgische Landwirtschaft ist sehr heterogen. Während Landwirtschaft in Wallonien eher extensiv ist, hat Flandern einen hohen Anteil an der Tierproduktion, am Gartenbau und hat insgesamt sehr fruchtbares Land: 75% der landwirtschaftlichen Wertschöpfung stammen aus Flandern, obwohl die Region nur etwa 45% der Fläche einnimmt. Die beiden Gebiete haben zudem unterschiedliche gesetzliche Regelungen. So werden sowohl der Quotenhandel wie auch die Nitratausbringung teilweise unterschiedlich geregelt. Durchschnittsberechnungen zeigen, dass die strengen Nitratauflagen Milcherzeuger etwa 2 bis 8 ct pro kg Milch extra kosten, in Flandern müssen die Milcherzeuger zusätzlich noch Emmissionsrechte (850-1.000 €/Kuh inkl. Nachzucht) kaufen. Reine Gülle darf darüber hinaus nicht nach Wallonien transportiert werden, wo die Viehdichten geringer sind, da Wallonien als „extraterritorial“ betrachtet wird.

Nicht weit von Brüssel: Agrarpolitik im Fokus

Schwerpunkt der agrarpolitischen Vorträge waren unter anderem die aktuellen Diskussionen um die Zukunft der GAP-Reform. Hermanus Versteijlen, Direktor für Agrarmärkte der Europäischen Kommission, erläuterte den Teilnehmern: „Wir haben keine gute Erklärung für die Steuerzahler, warum es unterschiedliche Fördersummen pro Hektar gibt. Deshalb müssen wir die Zahlungen über die gesamte EU angleichen.“ Folkhard Isermeyer, Präsident des Thünen-Institutes aus Braunschweig, widersprach der Argumentationslinie der EU-Kommission: “Grüne Direktzahlungen, wie sie momentan von der Kommission vorgeschlagen werden, können nicht als „universelles Mittel“ für Agrarpolitik angesehen werden. Aber es ist zu spät, ein anderes Politikkonzept für die Periode 2014-2020 auszuhandeln.“ Für die Zeit nach 2020 sollten Politiker und Wissenschaftler jedoch eine fundamentale Reform der GAP vorbereiten. Wichtige Grundlage dafür sei, dass „die Reform mit der Definition von Politikzielen und der Entwicklung adäquater Politikinstrumente zur Erreichung dieser Ziele beginnt“, nicht umgekehrt.

Auch das Milchpaket der EU-Kommission und die möglichen Vertragsgestaltungen nach 2015 wurden in Vorträgen und Workshops intensiv diskutiert. Insgesamt wurde dabei die Einführung eines A-/B-Preissystems eher kritisch gesehen, da es den Molkereien eine einfache Begründung für niedrige Milchpreise liefern würde. Zudem zeigen Erfahrungen aus der Schweiz nur einen sehr begrenzten Erfolg des Systems.

Von Mitgliedern für Mitglieder: EDF Landwirte diskutieren

Auch die aktuellen Produktionskostenergebnisse der teilnehmenden Betriebe wurden vorgestellt. Für 313 nicht repräsentative Betriebe zeigte sich in diesem Analysejahr, dass etwa ein Drittel in der Lage war, die Vollkosten der Milchproduktion zu decken (inkl. Entlohnung der eigenen Produktionsfaktoren, wie Land und Arbeit zu aktuellen Marktpreisen) und daher einen positiven Unternehmergewinn zu erwirtschaften (ausgenommen entkoppelte Direktzahlungen) sind. Die 25% profitabelsten Betriebe erzielten vor allem im Bereich Arbeits-, Gebäude- und Maschinenkosten ein besseres Ergebnis. Der Milchpreis war nicht der Grund für die Unterschiede in der Profitabilität der Betriebe.

Sechs spannende Betriebsbesuche rundeten den Kongress ab und ermöglichten den Teilnehmern intensive Diskussionen mit den Betriebsleitern.

2013: EDF Kongress in Schweden

Der nächste EDF Kongress findet vom 26. bis zum 29. Juni 2013 in Schweden statt.

Für weitere Informationen über den EDF Kongress können sie sich an Jan Halewyck von Boerenbond und für weitere Informationen über die European Dairy Farmers an Steffi Wille-Sonk wenden. Eine ausführlichere Pressemitteilung (deutsch/englisch) erhalten Sie bei Birthe Lassen.

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